Montag, 26. September 2011

Die Würde des Schweins ist unantastbar.


Kennt ihr das Lied von Reinhard Mey? Ich finde das ja ehrlich gesagt herzergreifender und zum Nachdenken anregender als so manches brutale Video zum Thema....

Vegan wird Alltag - und ich kriege Lust auf Gesundes....

So, so langsam pendelt sich alles ein. In meiner Küche haben sich Dinge wie Hefeflocken und Senf-Rucola-Cremes und Reismilch eingelebt, ich habe mein erstes Paar veganer Schuhe bestellt und freue mich darauf, mich, wenn endlich mal Packungen leer werden, bei dm mit alverde-Kosmetika einzudecken. Ich habe Diskussionen geführt, wenn auch - bis auf sehr wenige Ausnahmen - nicht ganz so dumme, wie ich befürchtet habe (von der Bibel bis zur Attraktivität veganer Männer wurde alles zum Thema gemacht). Ich war mehrmals in veganen Restaurants/Cafés essen und Kaffee trinken (danke danke, Berlin :) ). Ich habe viele tolle und manch eine sinnlose Diskussion auf Facebook geführt und dabei realisiert, dass es in dieser Szene mindestens so viele ideologische Flügel inkl. Feindschaften gibt wie in jeder großen Partei. Und ich habe langsam keine Lust mehr, Bücher zu lesen, sondern bin ganz froh, dass langsam auch wieder Alltag einkehrt.

Nach wie vor liebe ich es, hier im Netz die verschiedenen Blogs (siehe Blogroll), viele von ihnen grandios, sowohl inhaltlich als auch vom Design her, zu lesen. Deshalb schreibe ich wohl so wenig hier - ich habe das Gefühl, alles ist schon einmal geschrieben, beschrieben, diskutiert, fotografiert worden, und das viel schöner, als ich es gerade könnte. Nichtsdestotrotz finde ich das Interaktive der Blogs toll und habe das Gefühl, manche der Personen ein klitzekleines bisschen zu kennen, auch wenn ich sie nie getroffen habe u. sie nicht wissen, wer ich bin. Mein früherer Blog (breakfastcancelling.blogspot.com) hat mir damals viel Spaß gemacht, aber das war ja eher eine Art Tagebuch für mich selbst. Und so ähnlich werde ich es hier auch handhaben, immer mal wieder Gedankensplitter, aber konstant Rezepte inkl. Fotos posten schaffe ich einfach gerade nicht.

So, die Gedankensplitter heute wären dann:

Ich kriege plötzlich Lust auf gesundes Essen. Versteht mich nicht falsch, ich habe immer schon abwechslungsreich gegessen u. gerne gekocht. Aber gerade kriegt das eine neue Qualität. Ich kriege Lust auf so Dinge wie Äpfel u. Kohlrabi. Das ist mir früher abgegangen, diese ganz klare Lust auf was Knackiges, Frisches - Rohkost mochte ich eh nie besonders, weder in Obst- noch Gemüseform. Jetzt esse ich ernsthaft rohe Rote Beete.... Bei Ersatzprodukten ist fast das Gegenteil der Fall: ich habe mir letzte Woche eine an für sich sehr leckere Chorizo-Sojawurst gekauft, die vom Geschmack her nah am Original war. Und deshalb konnte ich sie fast nicht aufessen, so wurstig hat sie geschmeckt. Wenn ich im veganen Supermarkt vegane Entenbrust in brauner Sauce sehe, schüttelt es mich ebenfalls  - verschwindet das irgendwann, und die Sehnsucht kommt zurück? Keine Ahnung. Selbst auf Tofu habe ich immer weniger Lust u. mache lieber was mit Hülsenfrüchten wegen der Proteine. Auch der Heißhunger auf Choco Reale-Aufstrich hat merklich nachgelassen. Naja, vielleicht ändert sich das genauso schnell wieder, wie es gekommen ist, ist ja alles noch sehr frisch auch für meinen Körper u. die Gelüste :) Was ich jedenfalls - trotz des horrenden Preises - jetzt schnell bestelle, ist ein Vitamix, all die begeisterten Blogberichte (und ich habe VIELE gelesen darüber) haben mich überzeugt.

Gedankensplitter 2: Das lehnt sich an das an, was ihr zu meinem letzten Post kommentiert habt bezüglich des Käsezwischenfalls. Je mehr ich mit dem Thema vegan leben beschäftige, desto überzeugter bin ich davon, aber desto kritischer bin ich auch, wenn ich sehe, wie manche Leute das als einen Ersatz für eine dogmatische Religion benutzen (bekannte Aktivisten nicht ausgeschlossen.....), wo es nur Schwarz und Weiß, ganz richtig oder ganz falsch, Sünde oder Erlösung zu geben scheint. Jede_r muss den eigenen Weg finden. Am Anfang dachte ich nur 'hilfe, all meine Wollsocken' und 'oh, die Daunendecke muss ich sofort wegtun, sonst betrüge ich' (wen auch immer....) und 'shit, doch aus Versehen Tabletten mit Lactose erwischt'. Inzwischen sehe ich das alles eher als Prozess - es gibt so viel zu lernen (Essig kann unvegan sein??), abzuwägen (Lederschuhe auftragen oder wegtun? ich tendiere dazu, Konsum einzuschränken, also auftragen) usw. Ja, auch ich hatte unbewusst Angst vor dem, was manche die 'Veganpolizei' nennen. Wobei das ja nicht immer andere Veganer_innen sein müssen, sondern gerne auch Omnis oder Vegetarier ("hah, du hast ja einen Wollschal an, erwischt!"). Nun versuche ich, auf mein Gefühl zu hören - und trage meine selbstgestrickten Socken weiter, ebenso die Lederschuhe, bis sie kaputtgehen, und ich tue mir so lange Honig in den Tee, bis das Glas leer ist. Wenn ich wo eingeladen bin u. ich merke, dass sich der Gastgeber wirklich viel Mühe mit vegan kochen gegeben hat, werde ich nicht erstmal die Essigflasche checken, ob der auch vegan ist und dann Stress machen. Ich will den Leuten um mich rum vorleben, dass das Leben so Spaß machen kann u. man nicht sofort zum Teufel gejagt wird, wenn man einen Fehler macht oder eben abwägt, sondern dass die gute Absicht zählt. So würde ich mir übrigens auch Religionen wünschen, aber das ist ein anderes Thema :)

Montag, 5. September 2011

Selbstüber(unter?)schätzung

Heute habe ich was gemacht, was ich gerade bereue. Parmesan über meine Spaghetti gemacht. So Kuhkäseparmesan, so richtigen. Und das auch noch bewusst. Das eingeschweißte Stück Parmesan liegt seit bestimmt 2 Monaten in meinem Kühlschrank, noch aus der vorveganen Phase. Offene Nahrungsmittel habe ich damals weggeworfen, aber den Käse, ja, da hab ich noch überlegt, ob ich ihn verschenke - oder mich nicht so anstelle und ihn einfach noch esse. Denn mir ist es ja eigentlich wichtig, dass ich vegan nicht aus Geschmacksgründen wurde, sondern aus einer ethischen Einstellung heraus, und dass ich, selbst wenn ich die nächsten 50 Jahre den Geschmack von Wurst, Käse und einem Frühstücksei vermissen sollte, dennoch kein Recht hätte, diese Sachen auch zu essen, weil Tiere dafür gequält werden. Vegan sein ist für mich jedoch auch mit Konsumkritik verbunden, weil ich glaube, dass die kapitalistische Logik mit ein Grund für die Ausbeutung nicht nur von Menschen, sondern auch von Tieren ist. Wie kann ich aber mit einer konsumkritischen Einstellung rechtfertigen, ein an sich noch essbares 'Lebensmittel' wegzuwerfen oder wegzugeben, das ich vor einigen Wochen noch ohne zu zögern verspeist hätte? Seit meiner Entscheidung, vegan zu leben, habe ich mir Hefeflocken auf die Spaghetti gestreut, und es hat mir gut geschmeckt und sich richtig angefühlt. Dennoch habe ich heute das Projekt Parmesan verwerten in Angriff genommen und den Käse über die Tomatensauce geraspelt, um mir selbst zu beweisen, dass es nicht um Geschmack geht. Und dennoch wurde mir schlecht. Der Geruch. Wie der Käse sich in meinen Händen angefühlt hat. Wie meine Hände danach rochen. Ich war kurz davor, den ganzen Teller in den Müll zu kippen. Dann habe ich die Spaghetti doch gegessen, mit dem Käse. Danach bin ich in die Küche und habe das restliche Stück Parmesan in den Müll geschmissen. Jetzt war es ja eine angebrochene Packung, so meine tolle Rechtfertigung vor mir selbst, und die kommen weg. Das Projekt Resteverwertung als konsumkritische Aktion ist hiermit abgeschlossen. Bäh.

Von omni zu vegan: die Entscheidung

Vor einigen Wochen fiel mir in der Bibliothek durch Zufall ein Buch über das Verhältnis von Tieren und Menschen in die Hände. Nein, weder Karen Duve noch Jonathan Safran Foer, sondern 'Noahs Erbe. Vom Recht der Tiere und den Grenzen des Menschen' von Richard David Precht aus den 1990er Jahren. In dem Buch geht es nicht um das Thema Ernährung, sondern eher aus einer philosophischen Perspektive um die Kategorien 'Mensch' und 'Tier'. Precht zeigt, wie Menschen 'Tiere' als etwas, das anders ist als sie selbst, konstruieren, um somit zu legitimieren, über Tiere zu verfügen. In Kapiteln über Speziesismus, Tierethik, Tierrechte, die gesetzliche Lage, Tiere in Philosophie und Religionen legt er die Grundlagen für die letztendliche Frage: Was tun?



Als ich das Buch fertiggelesen hatte, war mir schon klar, dass ich zumindest irgendetwas tun muss. Ich habe schon immer viel über Ernährung und Gesundheit nachgedacht und gelesen, und da ich eine Zeit lang sehr viel Sport getrieben habe, hatte ich seit ca. 3 Jahren eine gewisse Proteinfixiertheit, sprich: Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier waren das Gerüst meiner Ernährung. Ernährungsumstellungen an sich sind mir also wohlvertraut.

Der Unterschied diesmal war jedoch, dass ich plötzlich kapierte, dass es hier gar nicht um mich geht, nicht um meine persönliche Gesundheit, sondern viel abstrakter um die Frage, ob ich, Gesundheit hin oder her, überhaupt das Recht habe, dass andere Lebewesen für mich leiden und sterben müssen, nur weil mir mein Rumpsteak und meine Milch im Müsli so gut schmeckt und vielleicht sogar ganz gesund ist. Ich schreibe an der Uni gerade eine Arbeit, in der es viel um Rassismus geht, und die Argumentationslinien in Bezug auf Tiere, also speziestische Begründungen für die Ausbeutung von Tieren, waren auf einmal erschreckend ähnlich für mich.

Mir haben Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte bis dahin immer gut geschmeckt, und ich gehöre auch nicht zu den Leuten, die seit ihrer Kindheit Tiere heiß und innig lieben und sie schon aus Sentimentalität nicht essen könnten. Ich habe nichts gegen Tiere, nur habe ich mich bisher nicht ausgiebig mit ihnen beschäftigt (was sich gerade beginnt zu ändern). Aber ich habe ja auch nicht das Recht, einen Menschen, den ich nicht heiß und innig liebe, umzubringen und aufzuessen, warum also ein Tier?

Da ich mir also weder überlegen musste, ob ich Tiere jetzt gerne mag oder nicht, noch, ob mir Tierfleisch, Milch und Eier schmecken oder nicht, weil das plötzlich irrelevant war, war es ganz einfach, die Entscheidung zu treffen und zu sagen: es ist falsch und gerade in einem Umfeld, wo es so leicht ist, sich anders zu ernähren, noch viel falscher, Tiere für meinen privaten Genuss zu töten.

Deshalb wurde ich fast von einem auf den anderen Tag vegan und lebe damit nun seit fast einem Monat wunderbar. Je mehr ich nun in den letzten Wochen angefangen habe, aktiv über die Massentierhaltung, Speziesismus und Veganismus als ethische Haltung zu recherchieren, desto überzeugter bin ich von der Richtigkeit und Alternativlosigkeit meiner Entscheidung - und desto glücklicher bin ich darüber, dass all diese Fragen zwar spät, aber nicht zu spät in mein Leben getreten sind. Über dieses 'neue' Leben möchte ich hier auf diesem Blog berichten, meine Gedanken teilen und sicher ab und zu auch mal ein Rezept - denn veganes Essen schmeckt TOLL :)